Cannstatter Stolperstein-Initiative

Klara und Johanna Kaufmann: Bei Todestransport weniger Wiedergutmachung!

Klara Kaufmann und ihr Mann Jakob, undatiert.Klara Kaufmann, am 31. Oktober 1888 in Öhringen geboren, war eine Tochter von Leopold und Hannchen Rosenfeld. Sie verheiratete sich am 3. April 1913 mit dem aus Zaberfeld gebürtigen Viehhändler Jakob Kaufmann, der zusammen mit seinem Bruder Alfred in Winnenden eine Viehhandlung betrieb. Familie Kaufmann wohnte mindestens seit 1930 im Erdgeschoss Wiesbadener Straße 19. Sie war, wie ihr Sohn Bruno berichtet, sehr aktiv am Leben der Cannstatter jüdischen Gemeinde beteiligt. Als zweites Kind nach dem 1916 geborenen Bruno kam am 1. März 1923 die Schwester Hanna zur Welt. Johanna Kaufmann, ca 1939.Jakob Kaufmann verstarb am 10. November 1940 und liegt auf dem jüdischen Steigfriedhof begraben. Keine zwei Jahre nach diesem Verlust wurde seine Witwe nach Haigerloch evakuiert und von dort am 22.08.42 mit Transport XIII/1 nach Theresienstadt, am 16. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert. Auch Hanna Kaufmann erlitt das Schicksal der Deportation nach Auschwitz, und zwar am 1. März 1943, ihrem 20. Geburtstag. Bruno Kaufmann, am 19. Februar 1916 geboren, hatte eine Bürgschaft erhalten und landete am 4. März 1939 in New York. Sein Versuch, Mutter und Schwester in Sicherheit zu bringen, scheiterte, weil der Zweite Weltkrieg begann. Nach dessen Ende beantragte er Entschädigung für die 11 Monate (19.09.41 bis 22.08.42), die seine Mutter den Judenstern tragen musste und für ihre 32-monatige KZ-Haft (22.08.42 bis 08.05.45). Das war insofern begründet, als Klara Kaufmann durch Beschluss des Amtsgerichts Bad Cannstatt am 26. Oktober 1959 auf den 31. Dezember 1945 für tot erklärt worden war. Das Landesamt für Wiedergutmachung ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern gab sich überzeugt, Klara Kaufmann habe den 12. Juli 1944 nicht überlebt, denn „nach der Mitteilung des Tschechoslowakischen Roten Kreuzes vom 25. Mai 1951 handelte es sich bei dem Transport Ea 1909 […] um einen Todestransport, von dem weniger als 10% der Verschickten zurückkehrten.Nach dem Buch von H.G. Adler ‚Theresienstadt 1941 bis 1945’ bestand der Transport vom 16. Mai 1944 aus 2500 Personen, von denen 5 Überlebende ermittelt werden konnten. Wiesbadener Straße 19, Stolpersteine verlegt am 24. September 2007.Wiesbadener Straße 19, Stolpersteine verlegt am 24. September 2007.Dieser Transport wurde in das Familienlager Birkenau verbracht, wo die Mehrzahl der Insassen durch das Gas umgebracht wurde. Eine Zeugin, die am 16. oder 17. Juli 1944 in Birkenau ankam, sagte aus, dass das Familienlager kurz zuvor bestanden habe, inzwischen aber nach der Vernichtung fast aller Insassen nicht mehr existiere […]. Das Landesamt ist deshalb der Überzeugung, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits 55 Jahre alte Erblasserin den 12. Juli 1944 nicht überlebt hat.“ Diese Argumentation hat der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches 1 500,— DM erspart. Einmal mehr verfuhren Juristen routiniert und ohne die leiseste Spur von Empathie auch in diesem Fall nach dem Grundsatz, je früher der Mord, desto geringer die Entschädigung. Ihren Ermessensspielraum zugunsten der leidgeprüften Hinterbliebenen zu nutzen, haben sie offenbar keinen Augenblick erwogen.


© Text: Rainer Redies, Cannstatter Stolperstein-Initiative
© Bilder: Bruno Kaufmann, Framingham MA; Anke Redies

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