Cannstatter Stolperstein-Initiative

Adolf Cahn: Sachsenhausen, Welzheim, Mauthausen

Erzwungene Umzüge in immer schlechtere Wohnverhältnisse machten den Eltern Cahn das Leben schwer, als Zeichen ihres Ausgestoßenseins mussten sie den Judenstern tragen, ihren täglichen Bedarf durften sie nur noch im „Judenladen“ decken. Sie starben 1943 und 1944 in Theresienstadt. Ihr Sohn Adolf wurde durch Denunziation aus dem Schutz einer „privilegierten Mischehe“ gerissen und über das KZ Welzheim nach Mauthausen deportiert. Er sei „auf der Flucht erschossen“ worden, ließ man seine Frau und ihre drei Kindern wissen.

Adolf Cahn, undatiertes Foto Eine frühe Nachricht über Adolf Cahn stammt aus Heidenheim, wo er von 14. April bis 29. August 1925 gemeldet war. Alfred Hoffmann, der dies ermittelt hat, mutmaßt, dass ein Volontariat des damals 25-Jährigen Anlass für den kurzen Aufenthalt war.1 Danach lässt sich eine Spur erst in den Dreißigerjahren wieder aufnehmen: 1934 zogen nämlich seine Eltern Isidor und Lina Cahn aus Botnang, wo sie seit 1915 gelebt hatten, nach Cannstatt und nahmen zusammen mit Adolf, seiner Frau Pauline und ihrem dreijährigen Sohn Wohnung in der Saarstraße. Im folgenden Jahr zogen sie in die Pfalzstraße um. Für diese Aktionen wird es vielerlei Gründe gegeben haben, doch geht man kaum fehl in der Annahme, dass besonders zwei den Ausschlag gaben: Adolfs Frau Pauline bekam 1934 ihr zweites Kind, und in Zeiten der einsetzenden Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Bürger hoffte man gewiss, sich besser beistehen zu können, indem man zusammenrückte und unter einem Dach zusammenlebte.

Diese Hoffnung war vergebens. Ein erster Schlag traf Adolf Cahn, der bis 1932 als freier Handelsvertreter mit jährlich ca. 6000 RM ein sicheres Auskommen hatte. Dann, seine Familie war gerade um ein Töchterchen auf vier Personen angewachsen,2 durfte er seinen Beruf nicht mehr ausüben und musste Gelegenheitsarbeiten annehmen. Für die Jahre bis 1936 wissen wir dank einer Aussage seiner Frau lediglich, dass er sich 19343 als Tabakwarenverkäufer auf dem Volksfest bewarb, als Jude jedoch abgewiesen wurde. Deutlicher wird das Bild ab September 1936 durch detaillierte Angaben der Allgemeinen Ortskrankenkasse Stuttgart. Demnach war Adolf Cahn in den folgenden fünf Jahren und vier Monaten bei fünf Firmen mit Wochenlöhnen um 40 RM tätig. Dies waren die mutmaßlich jüdischen Geschäfte Neu & Grünwald (Friedrichstraße 4), ein Schuhhaus, und die Seide-, Samt- und Bandwarenhandlung Sontheimer (Tübinger Straße 6). Auf ein kurzes Engagement bei der nicht näher identifizierbaren Firma C. Mutschler folgte eine Serie kurzfristiger Beschäftigungen bei einem Untertürkheimer Gipser. Dass es sich um keine kontinuierlichen Beschäftigungen gehandelt hat, geht aus neun unterschiedlich langen Unterbrechungen hervor, die er hinzunehmen hatte, insgesamt mehr als 800 Tage!

In Adolf Cahns besonders lange Periode der Beschäftigungslosigkeit von Mitte Juli 1937 bis April 1939 fällt die „Asozialen-Aktion“ des Regimes: Selbst wegen geringfügiger Delikte vorbestrafte Juden, wurden verhaftet und in Konzentrationslager verbracht. Über eine Vorstrafe Adolf Cahns4 ist nichts bekannt, er muss durch Willkür dieser Terror-Maßnahme zum Opfer gefallen sein und wurde am 23. Juni 1938 als Häftling Nr. 6283 in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Acht Monate musste er die Schmach und die Torturen ertragen, die dieses KZ zumal für jüdische Häftlinge bereithielt, ehe er am 22. Februar 1939 entlassen wurde.

Danach konnte Adolf Cahn nicht etwa in die Pfalzstraße zurückkehren, denn die Zeit der Verdrängung jüdischer Bürger in immer engere Wohnverhältnisse war angebrochen. 1939 finden wir die Familie zunächst in der Augustenstraße 75,5 dann – wieder mit den Eltern zusammen - in der Militärstraße, ab 1940 in der Bismarckstraße 92, 1941 schließlich in der Blumenstraße 2. Nicht weniger als fünf Umzüge musste die Familie bis 1942 bewältigen und musste, weil vorübergehend auf ein einziges Zimmer angewiesen, ihre Möbel bei einem Spediteur unterstellen.

Isidor Cahn (Foto undatiert)Unter der städtischen Wohnungspolitik hatten auch Adolf Cahns Eltern zu leiden. Zwar ist es den beiden Familien 1939 noch einmal gelungen, in der Militärstraße 68 eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Unter dem Diktat einer von der NS-Ideologie inspirierten Stadtverwaltung trennten sich die Wege der beiden Familien jedoch Anfang 1940 abermals. Die Eltern mussten in die Schickardtstraße 33 und in der zweiten Jahreshälfte 1940 in die Rosenbergstraße 136 weiterziehen. Hier traf sie am 19. September 1941 die Auflage, sich durch Tragen des Judensterns in der Öffentlichkeit aus der Gesellschaft auszugrenzen. Demselben Zweck diente das Verbot, in Geschäften ihrer Wahl einzukaufen, vielmehr mussten sie wie alle Stuttgarter Juden ab April 1941 zum „Judenladen“6 in der Seestraße gehen, um ihren Bedarf zu decken, was mangels Angebot und wegen der Willkür des korrupten Kaufmanns oft genug vergebens war. 7

Isidor und Lina Cahn sind wenig später in Theresienstadt gestorben – wenn man sterben nennen darf, welches Ende den Juden in diesem KZ zugedacht war. Zunächst aber wurden sie nach Haigerloch in eines jener Altersheime evakuiert, die nichts als Zwischenstationen auf dem Weg ins Konzentrationslager waren. Ihre in Stuttgart zurückgelassene Habe wurde beschlagnahmt. Im August 1942 wurden sie dann mit rund 940 betagten Jüdinnen und Juden aus ganz Württemberg auf dem Killesberg versammelt und am 22. vom Nordbahnhof aus nach Theresienstadt deportiert. „Nun barg ein Handkoffer ihre Habe. Fünf Pfennige mussten sie für das Formular zahlen, auf dem die Beschlagnahme ihres gesamten Vermögens schwarz auf weiß stand. Nur 55 RM durften sie mitnehmen. Aber es kam nicht dazu; denn die Fahrtkosten ins ‚Vorzugslager‘ Theresienstadt betrugen 50 RM, und für ein Lebensmittelpaket, das ihnen mitgegeben werden sollte, aber ihnen nie ausgehändigt wurde, waren 5 RM zu bezahlen.“8 Letztlich haben sie die Reise mit dem Leben bezahlt. Isidor Cahn mit 67 Jahren am 22. Oktober 1943, Lina Cahn, siebzigjährig, am 23. Januar des folgenden Jahres.

Nach Spuren des Ehepaares aus der Zeit vor der Verfolgung forscht man nahezu vergebens. Isidor Cahn stammte aus Süchteln (heute Stadtteil von Viersen, Nordrhein-Westfalen), wo es seit Jahrhunderten eine jüdische Gemeinde gab. Er war der Sohn eines Metzgers9 und hat den väterlichen Beruf erlernt, jedoch hat er spätestens 1923 die Bezeichnung Kaufmann geführt und 1928 eine Kleintierhandlung betrieben. Lina Cahn, geborene Freudenthal, hatte in Wetter (Kreis Marburg) am 24. 07.1873 das Licht der Welt erblickt. Dort schlossen die beiden am 7. November 1900 die Ehe vor dem Standesbeamten. Am 17. September des folgenden Jahres kam dort ihr Sohn Adolf zur Welt, am 11. September 1902 folgte die Tochter Rosa.10 Lina Cahn taucht in den Adressbüchern seit 1918 mit Abständen als Naturheilkundige auf.
In Stuttgart lassen sich die Eltern Cahn seit 1915 nachweisen. Bevor sie nach Cannstatt zogen, wohnten sie seit 1917 in Botnang, Beethovenstraße 1. Es verrät einen gewissen Wohlstand, dass Isidor und Lina Cahn ein Dienstmädchen hatten. Ob eines oder mehrere nacheinander ist ebenso unbekannt wie die Dauer des oder der Arbeitsverhältnisse. Sicher ist nur, dass der Sohn Adolf 1931 die 27-jährige Pauline H. aus Ehingen heiratete, die zuvor im Haushalt seiner Eltern gedient hatte.11
Adolf Cahn hat Deportation und Tod seiner Eltern nicht erlebt. Auf die KZ-Haft in Sachsenhausen folgten die erwähnten Umzüge und der Wechsel von acht episodischen Beschäftigungen zunächst bei C. Mutschler, dann bei einem Gipsermeister.12 Wider alles Erwarten konnte er dann in der Firma Isoklepa Mitarbeiter und Kollege sein, die ihn ohne Unterbrechung von 15. April 1941 bis 7. Januar 1942 beschäftig hat und wahrscheinlich darüber hinaus behalten hätte, wäre Adolf Cahn an diesem Tage nicht von der Gestapo festgenommen worden. Wie kam es dazu, und was war sein weiteres Schicksal?
Adolf Cahn lebte mit seiner „arischen“ Frau in „privilegierter Mischehe“. Dies bedeutete, dass er keinen Judenstern tragen musste, normale Lebensmittelkarten erhielt und in Geschäften seiner Wahl einkaufen durfte, also weniger Mangel litt als andere Juden. Als er im Herbst 194113 von dieser Einkaufsmöglichkeit Gebrauch machte, traf er in einem Zigarrengeschäft seinen ihm seit Jahrzehnten Bekannten F. Dieser, von Beruf Kreisprüfer beim Ernährungsamt einer württembergischen Kleinstadt, fragte Cahn, was er denn hier tue. Hierüber kam es zu einem lautstarkenStreit, weil Adolf Cahn sich angegriffen fühlte. Als er im Lauf der Auseinandersetzung erregt darauf hinwies, sein elfjähriger Sohn trage immerhin die Uniform des Jungvolks14, glaubte der NS-Funktionär F. dies nachprüfen zu müssen und ging zu Cahns Arbeitgeber, um „nachzusehen“. Dies und die Tatsache, dass F. sich bemüßigt fühlte, den Ortsgruppenleiter hinzuzuziehen, hatten zur Folge, dass Adolf Cahn am 7. Januar 1942 – seine Frau war mit ihrem dritten Kind schwanger15 - von der Gestapo verhaftet, ins KZ Welzheim eingeliefert und dort verprügelt wurde. Hier traf er mit dem Untertürkheimer Widerstandskämpfer Friedrich Schlotterbeck16 zusammen, der das KZ überlebt und nach dem Krieg im Spruchkammerverfahren gegen den Denunzianten F. als wichtiger Zeuge eine Rolle gespielt hat.
Für Adolf Cahn war Welzheim nur eine Durchgangsstation auf dem Weg ins KZ Mauthausen. Dieses Lager „erfüllte für die SS zwei Funktionen: die Bekämpfung des politisch-ideologischen Gegners, indem man ihn einsperrte, folterte und tötete, und damit auch nach außen hin Schrecken verbreitete, und die maximale Ausbeutung seiner Arbeitskraft. Bis zum Jahr 1943 stand die Vernichtung des “Gegners” jedoch immer im Vordergrund. 17 Adolf Cahn erhielt die Häftlingsnummer 9016, wie aus dem Totenbuch hervorgeht. Dort liest man unter dem 10. März 1942 hinter seinem Namen außerdem den Vermerk „auf der Flucht erschossen“. Ein Schuss als Todesursache lässt sich nicht ausschließen, jedenfalls erhielt Pauline Cahn von der Gestapo die Kleider ihres Mannes mit Blutspuren zurück. Im Übrigen ist bekannt, dass die eingetragenen Todesursachen großenteils willkürlich gewählt wurden. Die Wirklichkeit sah anders aus: „Die Häftlinge wurden erschlagen, erhängt, erschossen, kranke Häftlinge ließ man erfrieren, verhungern oder tötete sie durch Herzinjektionen oder Giftgas.“18
Im Entnazifizierungsverfahren gegen F. bekundete Cahns letzter Arbeitgeber 1947, dieser sei ihm durch das Arbeitsamt zugewiesen worden und sei ein anständiger Arbeiter gewesen. Den F. habe er nicht gekannt, jedoch sei dieser im Herbst 1941 bei ihm erschienen und habe nach Cahn gefragt. Am gleichen Tag sei F. noch einmal, und zwar in Begleitung des Ortsgruppenleiters erschienen. Unglücklicherweise sei Cahn, der in der Firma wie jeder andere gegolten habe, am Auskunftsschalter gestanden, und der Ortsgruppenleiter habe ihm, dem Zeugen, Vorhaltungen darüber gemacht, dass er Cahn nicht in gewöhnlicher Arbeit beschäftige. Cahn dürfe nicht mehr mit den übrigen Betriebsangehörigen an einem Tisch essen. Am 07.01. sei dann Cahn verhaftet worden, angeblich wegen Lebensmittelschiebungen.
Dem öffentlichen Kläger fiel bei der Entnazifizierung des F. im Januar 1947 zunächst auf, dass dieser noch immer im Amt beschäftigt war; er war nach dem Umsturz sogar zum Amtsleiter avanciert! Er machte in der Verhandlung zu seiner Entlastung geltend, er habe Adolf Cahn, mit dem er seit langem per Du gewesen sei, damals im Tabakladen scherzhaft gefragt, was er da mache. Keineswegs habe er seinen alten Bekannten bei der Partei oder der Gestapo angezeigt, und keineswegs habe er mit dessen Verhaftung etwas zu tun gehabt.
Ganz anders sah Pauline Cahn den Vorfall. Ihr Mann habe sich seit der Auseinandersetzung im Zigarrengeschäft ständig bedroht gefühlt. Nach seiner Verhaftung sei sie dann mehrfach zur Gestapo gegangen, wo man ihr vorgehalten habe, ihr Mann habe ein freches Verhalten an den Tag gelegt und außerdem mit Schnaps, Kaffee und Keksen gehandelt. Dabei, versicherte Frau Cahn, habe es sich um geringe Mengen gehandelt, die er aus eigenem Bestand seinen jüdischen Leidensgenossen zukommen ließ.
Als wichtigster Zeuge der Beweisaufnahme wurde Friedrich Schlotterbeck gehört, der im KZ Welzheim Stubenältester war, als Adolf Cahn dort eingeliefert wurde. Von Lebensmittelsammlungen, sagte Schlotterbeck, habe Cahn ihm nichts erzählt, sondern den Streit im Zigarrenladen als Grund seiner Verhaftung angegeben.
Einen eindeutigen Kausalzusammenhang zwischen dem Streit im Zigarrenladen und der Verhaftung Adolf Cahns konnte die Spruchkammer im Verfahren gegen F. dennoch nicht erkennen. Erwiesen sei jedoch, dass dieser im Anschluss an die Auseinandersetzung versucht habe, ein Verfahren gegen seinen alten Bekannten einzuleiten. Er habe sich als überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erwiesen und Methoden gegen Adolf Cahn angewendet, die sich durch Gewalttätigkeit auszeichnen.
F. wurde zu Arbeitslager und weitgehendem Einzug seines Vermögens verurteilt, doch musste noch einmal gegen ihn verhandelt werden, nachdem seiner Berufung stattgegeben worden war. Wieder konnte die Kammer keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Vorfall im Zigarrenladen und der Verhaftung Adolf Cahns feststellen, doch wurde F. erneut dafür verantwortlich gemacht, ein Verfahren gegen Adolf Cahn eingeleitet zu haben, das dessen kameradschaftliche Stellung in der Belegschaft untergrub: „Er durfte nicht mehr gemeinsam mit den übrigen Angestellten essen, musste den Schalterdienst aufgeben und sein Arbeitsfrieden und seine Ruhe waren dahin. Dafür ist der Betreffende verantwortlich, der durch sein widerwärtiges, durch das Bestreben veranlasste gehässige Verhalten, sein durch Cahn vermeintlich geschädigtes Ansehen als politischer Leiter wahren zu müssen, die damals gegen Cahn durchgesetzten Maßnahmen verschuldet und so die Aufmerksamkeit des Ortsgruppenleiters auf den durch die allgemeinen Verhältnisse an sich in einer schwierigen Lage befindlichen Lage befindlichen Cahn gelenkt hat.“
Auch in diesem Berufungsverfahren wurden F. keine mildernden Umstände zuerkannt. Dennoch fiel das Urteil vom April 1948 etwas milder aus als das der ersten Instanz:

  1. Der Betroffene ist Belasteter.
  2. Er wird für zwei Jahre (erste Instanz: zwei Jahre und sechs Monate) in ein Arbeitslager eingewiesen.
  3. 30% (erste Instanz: 80%) seines Vermögens, vorzugsweise Sachwerte, werden eingezogen.

Unter den zahlreichen Teilnehmern, die zur Stolpersteinverlegung für Adolf Cahn und seine Eltern in die Pfalzstraße gekommen waren, befanden sich auch mehrere Verwandte der Opfer.Pfalzstraße 66. Stolpersteine verlegt am 5. Oktober 2009.Ungefähr im Mai 1948 reichte F. ein Gnadengesuch ein, woraufhin die Vollstreckung der restlichen Strafe mit Wirkung vom 20. August1948 zunächst auf zwei Jahre ausgesetzt wurde. Da F. inzwischen im Landrat seines Kreises und dem Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Fürsprecher gefunden hatte, darf man getrost davon ausgehen, dass er mit diesem Tage beginnen konnte, seine Untaten zu verdrängen und die Fortsetzung seiner Karriere zu planen. Zurück blieb 1945 eine Witwe, die zu allem ihr zugefügten Leid einen schweren Fliegerschaden erlitten hatte. Jetzt musste sie unter elenden Wohnverhältnissen in der prekären, durch Mangel an Nahrung und Heizmaterial gekennzeichneten Situation der ersten Nachkriegszeit für Ausbildung und Erziehung ihrer inzwischen 14, 11 und 2 Jahre alten Kinder sorgen. Erst Mitte der Fünfzigerjahre konnte Wiedergutmachung beantragt werden. In diesen langwierigen Bemühungen vertrat der älteste Sohn von Adolf und Pauline Cahn die Familie mit Nachdruck. Freilich tat er dies in dem Bewusstsein, dass der Mord am Vater und den Großeltern und die verlorenen Jahre niemals wirklich gutzumachen waren.


© Text: Rainer Redies, Cannstatter Stolperstein-Initiative
© Bilder: Staatsarchiv Ludwigsburg, VVN-Archiv, Anke Redies

  • 1. Alfred Hoffmann: Keine Volksgenossen. Zur „Entjudung“ Heidenheims in der Zeit des Nationalsozialismus. Heidenheim 1998. S. 20
  • 2. Das zweite Kind der Cahns erblickte am 7. Juni 1934 das Licht der Welt und wurde am 14. Juni in der Cannstatter Liebfrauenkirche getauft.
  • 3. War vor 1933 im Konfektionsgeschäft seines Vaters tätig bis zu dessen Liquidierung. 1934/35 selbständiger Vertreter bei Horowitz in Stuttgart.“ (HStA EA 99/001 Bü 168) Nach den Adressbucheinträgen zu urteilen betrieb Adolf Cahns Vater Isidor seit 1928 einen Kleintierhandel. Ein Herrenkonfektionsgeschäft war unter dem Namen seiner Mutter 1925 ein einziges Mal eingetragen (Beethovenstraße 1, wo die Familie auch wohnte)). Ab 1931 führt Lina Cahn, wie schon in früheren Jahren, die Bezeichnung Naturheilkundige. Die Liquidierung des elterlichen Konfektionsgeschäftes dürfte also deutlich vor 1933 erfolgt sein. Pauline Cahn hat an Eidesstatt versichert, dass ihr Mann schon im Juni 1934 seine Tätigkeit nicht mehr ausüben konnte und praktisch ohne Arbeit war. Die Tätigkeit für den jüdischen Wäsche- und Manufakturwarenversand Horowitz (Augustenstraße 41/1) dürfte also, wenn überhaupt, früher anzusetzen sein.
  • 4. Sie wäre im Widergutmachungsverfahren mit Sicherheit verwendet worden, um Ansprüche seineer Nachkommen zu schmälern oder zurückzuweisen.
  • 5. Diese und die folgenden Angaben stützen sich auf Einträge in den Stuttgarter Adressbüchern sowie Aussagen von Pauline Cahn im Wiedergutmachungsverfahren.
  • 6. Vgl. Jupp Kleegraf: Der Stuttgarter „Judenladen“. Dokumentation eines fast vergessenen Stücks der Stuttgarter Stadtgeschichte. Stuttgart 2007
  • 7. Maria Zelzer hat darauf hingewiesen, dass Isidor Cahn nebst einer Reihe weiterer Personen im NS-Propagandafilm über den Stuttgarter Judenladen zu sehen ist. Durch vergleichsweise herangezogene Fotografien soll versucht werden, Filmbilder von Isidor Cahn und anderen Opfern des Holocaust zu identifizieren, von denen sonst keine Bilder existieren.
  • 8. Maria Zelzer: Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden. Stuttgart [1964], S. 226
  • 9. Woher Alfred Hoffmann den Hinweis (a.a.O., S. 20) auf ein Konfektionsgeschäft Isidor Cahns genommen hat, ließ sich bisher nicht ermitteln.
  • 10. Über Rosa Cahn, die zuletzt in Stuttgart-Sonnenberg gemeldet war, wurde 1957 bekannt, dass sie danach unter dem Namen Ruzena Cahnova in Prag, Krakowska 7 lebte. Sie wurde nach Theresienstadt deportiert und von der Gestapo mit Transport Ab-342 nach Izbica überstellt. Das Rote Kreuz der Tschechoslowakei hat diesen Transport, da ihn weniger als zehn Prozent der Opfer überlebt haben, als Todestransport qualifiziert. Rosa Cahn wurde daraufhin im April 1958 für tot erklärt.
  • 11. Das Stuttgarter Stadtarchiv besitzt die Materialsammlung zu Maria Zelzers 1964 erschienenem Buch über die Stuttgarter Juden, die so genannten Tischendorf-Akten. Einem darin befindlichen Brief von Frau Thekla Kaufmann entstammt folgendes Zitat: „Ein ganz besonderes Anliegen ist es mir jedoch, […] einem Teil der schwäbischen Bevölkerung ein ehrendes Denkmal zu setzen. Die Hausangestellten, die braven schwäbischen Bauerntöchter, die in jüdischen Häusern gedient haben, sind, unberührt von den Hassgesängen und Verleumdungen, in Treue und Anhänglichkeit zu ihren Arbeitgebern gestanden. Ich glaube, ich habe nicht eine jüdische Auswandererfamilie in Amerika getroffen, die nicht über diese – oft mit Gefahren verbundene Anhänglichkeit und Treue berichtet hat.“
  • 12. Vermutlich rührt von dieser Hilfstätigkeit die in den Akten anzutreffende Berufsbezeichnung „Hilfsarbeiter, Farbmischer“.
  • 13. In den herangezogenen Akten wird der folgende Vorgang ins Jahr 1942 verlegt, was aufgrund des feststehenden Todesdatums 10.03.42 und der vorausgegangenen KZ-Haft Adolf Cahns ausgeschlossen ist.
  • 14. Dass der damals Elfjährige tatsächlich ins Jungvolk gezwungen wurde, bestätigt seine Witwe, Frau Ingeborg Cahn. Ihr sei an dieser Stelle der für die Durchsicht des vorliegenden Textes und alle weitere Unterstützung der Cannstatter Stolperstein-Initiative herzlich gedankt.
  • 15. Der jüngste Sohn Adolf Cahns, der seinen Vater nie kennen gelernt hat, kam am 11. September 1942 zur Welt.
  • 16. Schlotterbeck hat in seinem Buch „Je dunkler die Nacht, desto heller die Sterne“ unter anderem die Verhältnisse im KZ Welzheim eindringlich beschrieben.
  • 17. http://www.mauthausen-memorial.at „Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen“
  • 18. a.a.O.

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