Ernst Pick und seine Frau Anna (geb. Ostertag) hatten acht Kinder. Seine Enkelin Hannelore Marx, die Deportation und Lager überlebt hat, zeichnet in ihrem Lebensbericht1 das Bild eines erfolgreichen Geschäftsmannes und ebenso liebevollen wie strengen Familienmenschen
Ernst Pick war Tscheche und stammte aus Podebrady an der Unterelbe. Später nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an. Auf seine Bereitschaft, sich an die neue Heimat zu assimilieren, fällt ein Schlaglicht, wenn seine Enkelin ihn als „Ebenbild des deutschen Paschas“ beschreibt. Dazu passt das erhaltene Foto eines ernst blickenden und sorgfältig gekleideten Mannes mit Kaiser-Wilhelm-Bart. Dazu passt noch mehr, dass drei seiner Söhne freiwillig im Ersten Weltkrieg dienten: Manfred, Emil, der gefallen ist, und Julius, der die Fronten in Ost und West schon mit 16 Jahren erlebte. Sein Bericht in „Lebenszeichen“2 besteht aus wenigen Sätzen und schließt lapidar: „1916 verwundet. Zahlreiche Orden und Ehrenzeichen.“ Vater Ernst Pick besaß am Cannstatter Wilhelmsplatz ein Geschäftshaus und führte mit seinem Schwager Ernst Ostertag ein Konfektionsgeschäft mit angeschlossener Maßschneiderei. Hannelore Marx gibt Einblick in seinen Geschäftserfolg und Wohlstand, indem sie beschreibt, welche Wege einige der acht Kinder von Ernst und Anna Pick zunächst einschlagen konnten:
Manfred wurde Zahnarzt und bekam eine Praxis eingerichtet, Emil studierte Journalistik, Hilda Klavier und Gesang, Julius besuchte die Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim, Margaret wurde Buchhalterin. In dieselbe Richtung weisen 20 000 Reichsmark Aussteuer, die Tochter Hilda Kahn in schwieriger Zeit erhielt. Ernst Pick, seit 1935 Witwer, wurde unter Druck gesetzt, bis er sein Geschäft aufgab und sein Haus verkaufte. Er fand 1940 vorübergehend Zuflucht bei der Familie von Tochter Hilda in der Stitzenburgstraße. Er blieb alleine zurück, als Max und Hilda Kahn und ihre Tochter Hannelore (verh. Marx) am 1. Dezember 1941 nach Riga deportiert wurden. “Ich vergesse nie”, schreibt Hannelore Marx, “wie wir von ihm Abschied nahmen. Er klammerte sich an Papa und Mama, und wir alle weinten uns die Augen aus, weil wir wussten, dass wir uns in diesem Leben nie wieder sehen würden. Solange ich lebe, wird mich dieses Bild nicht verlassen.” 3Ernst Pick wurde nach Buttenhausen evakuiert und am 17. April 1943 nach Theresienstadt, am 18. Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert. Seitdem fehlt von ihm jedes Lebenszeichen. Das Pick’sche Geschäftshaus (Bahnhofstraße 4) brannte nieder, als ein benachbartes Gebäude bei einem Luftangriff getroffen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Moloch Straßenbau die letzten Spuren des Grundstücks beseitigt. Die „Wiedergutmachung“ an die Überlebenden der Familie Pick betrug rund 7000 Dollar.
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Recherche und Text: Rainer Redies, Cannstatter Stolperstein-Initiative
© Bilder: Hannelore Marx, Stadtarchiv Stuttgart, Anke Redies
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