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Friedrich Enchelmayer: Als Homosexueller verfemt und verfolgt

Etwas verschlossen blickt Friedrich Enchelmayer auf dem einzigen Bild drein, das es von ihm gibt. Er trägt Dreitagebart und ist sorgfältig frisiert. Keine besonderen Merkmale, sondern ein junger Mann, wie man ihm alltäglich auf der Straße begegnet. Und alltäglich wäre vermutlich auch sein Leben verlaufen, hätte sich der Hass der Nationalsozialisten nicht gegen alle gerichtet, die sich nicht anstandslos ihrem engen Weltbild fügten.

Friedrich Enchelmayer, undatiert.Friedrich Enchelmayer, Jahrgang 1908, wurde schon mit sechs Jahren Halbwaise. Sein Vater fiel 1914, der Erste Weltkrieg hatte kaum begonnen. Vermutlich musste die Mutter nun arbeiten, denn der Sohn erinnert sich später an Krippe und Unterbringung „bei fremden Leuten und Verwandten, wo ich überall zu viel war“. Ein mittelmäßiger Schüler sei er gewesen, habe die Volksschule jedoch problemlos absolviert und anschließend vier Jahre als Eisendreher gelernt. „Während der Lehrzeit war ich zu Hause auf mich selbst angewiesen, da meine Mutter abends zur Arbeit ging.“ Gewiss keine leichte Kindheit, aber Friedrich Enchelmayer berichtet klaglos, Emotionen waren im Arbeitermilieu kein Thema. 1929, in Deutschland herrscht Arbeitslosigkeit, nimmt er eine Arbeit in der Schweiz an, 1932 ist er in Ostpreußen in der Landwirtschaft tätig. Gefragt, was es über sein bisheriges Leben zu berichten gibt, hätte er kaum viel mehr geschrieben, wäre da nicht der berüchtigte Paragraph 175 gewesen.

Aus den wenigen Lebensspuren Friedrich Enchelmayers lässt sich nicht erschließen, wann er sich seiner Homosexualität bewusst wurde. Vor Gericht stand er 1934 zum ersten Mal und wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. „Nach Verbüßung meiner ersten Strafe“, schreibt er später, „ließ ich mich ärztlich behandeln, aber ohne Erfolg. Ich lernte ein Mädchen kennen, mit dem ich zwei Jahre ein Verhältnis hatte u[nd] das zur Verlobung führte. In der Folgezeit aber erkannte ich, dass sie nicht zu mir und meiner Veranlagung passte u[nd] so wurde das Verhältnis immer lockerer, was schließlich die Lösung der Verlobung zur Folge hatte.“ Inzwischen 29 Jahre alt, fällt Friedrich Enchelmayer in sein „altes Übel“ zurück. „Wenn meine Tat auch strafwürdig ist, so doch nicht zuchthauswürdig“, gibt er Einblick in seinen Konflikt zwischen sexueller Neigung und dem Versuch, gesetzestreu zu leben. Von solcher Not zeigte sich das Gericht unbeeindruckt und entschied auf die Höchststrafe von 2 Jahren und 1 Monat Zuchthaus, die Friedrich Enchelmayer am 7. Dezember 1937 in Ludwigsburg antreten musste. Frau Enchelmayer teilt den Tod ihres Sohnes mit.Ein Jahr später streitet er, die Fäuste geballt, mit einem Wärter. Unmittelbare Folge sind 7 Tage strenger Arrest. Mittelbar sollte Enchelmayers „Ungebühr“ aber viel schwerere Folgen haben. Als nämlich die Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart gleich nach seiner Entlassung wegen „vorbeugender Verbrechensbekämpfung“ beim Vorstand des Zuchthauses um eine „Abgangsbeurteilung“ nachsucht, wird berichtet: „Enchelmayer neigt zu Ungebühr und Widersetzlichkeit. Unter gegenwärtigen Verhältnissen halte ich es für geboten, dass vorbeugende Maßnahmen gegen Enchelmayer getroffen werden.“ Es folgen Politische Sicherungsverwahrung als Häftling Nr. 13115 ab 1. Juni 1940 im KZ Dachau, die Überführung mit Transport VIII am 3. September nach Sachsenhausen, schließlich der Weitertransport am 30. September nach Neuengamme. Friedrich Enchelmayer bekommt die Häftlingsnummer 011955 und wird als Berufsverbrecher eingestuft. Am 9. November um 21 Uhr erliegt er einem Herzschlag, wie es heißt. Wenige Wochen zuvor war er in Ludwigsburg als „gesund und arbeitsfähig“ entlassen worden.Gestrichen am Totensonntag 1928Aberlin-Jörg-Straße13, Stolperstein verlegt am 30. April 2010

© Text: Rainer Redies, Cannstatter Stolperstein-Initiative
© Bilder: StAL E 356 d V, Bü 1890, privat und Anke Redies, Cannstatter Stolperstein-Initiative

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