Max Heinrich Rothschild kam am 11. September 1865 im badischen Gemmingen zur Welt. Der Vater, Viehhändler von Beruf, übersiedelte 1872 mit seiner Familie nach Cannstatt. Hier besuchte Max die Volks- und die Realschule. Danach wurde er im väterlichen Geschäft gründlich ausgebildet. 1897 heiratete er Ida Adler aus Laupheim. Sie brachte 20 000 RM Mitgift in die Ehe und erbte beim Tode ihres Vaters weitere 30 000 RM. Mitgift und Erbschaft wurden als Betriebskapital investiert. 1898 wurde dem Paar eine Tochter geboren, Lydia, die 1939 nach Amerika auswanderte und die Erinnerung an ihre Eltern wachhielt. Noch zu Lebzeiten seiner Eltern übernahm Max Heinrich Rothschild die Führung des Geschäftes. Als 1908 sein Vater starb, war er bereits Alleininhaber und brachte das Unternehmen bald zu großer Blüte. Auf Einkaufsreisen, die ihn bis Husum, München, Berlin und Nürnberg führten, kaufte er wöchentlich 30 bis 40 Stück Großvieh ein, das er in Cannstatt, Stuttgart und Umgebung wiederverkaufte.
Die Familie lebte in besten Verhältnissen: In ihrem Haus Badstraße 40 waren drei Wohnungen vermietet. Den ersten Stock, vier Zimmer mit Küche und Bad, hatten sie mit Herren- und Speisezimmer, gediegenen Möbeln, Orientteppichen und reichlich Kristall, Porzellan und Silber nobel eingerichtet. An die Rückseite des Wohnhauses grenzte das Anwesen Im Hagelschieß 12, das ebenfalls Rothschilds gehörte. Hier standen Stallungen, eine Scheune und ein Haus mit zwei vermieteten Wohnungen. Ihrer Tochter ließ die Familie eine sorgfältige Ausbildung angedeihen. Sie besuchte die Mädchenrealschule und anschließend die Frauenarbeitsschule in Cannstatt. Im Kriegsjahr 1916 widmete sie sich der Kinderpflege in einem Heim für Kriegerkinder. Dann folgten ein Jahr Näh- und Zuschneideschule sowie ein Jahr Kochschule. Danach ging sie zur Handelsschule und übernahm schließlich im väterlichen Betrieb die Buchführung, bis sie im November 1922 heiratete.
Es illustriert den gediegenen Wohlstand von Max und Ida Rothschild, dass sie alljährlich drei bis vier Wochen zur Erholung nach Bad Reichenhall, Wiesbaden, Baden-Baden oder Wildbad fuhren. Das arbeitsreiche, aber sorgenfreie Leben der Familie ging 1933 zu Ende, als die Nazis die Macht übernahmen. Max Rothschild bekam sehr bald die Judenhetze zu spüren. Da ihn Kunden und Lieferanten zunehmend boykottierten, ging sein Umsatz rasch auf ein Drittel zurück, bis er sein Geschäft ganz liquidieren musste und die in zwei Generationen aufgebaute Existenz vernichtet war. Damit nicht genug, wurden den Rothschilds nach der Reichspogromnacht 15 000 RM Judenvermögensabgabe auferlegt. Der zwangsweise Abschluss eines Heimeinkaufsvertrages über 20 000 RM setzte die systematische Ausplünderung fort. Da ihre Barmittel nicht mehr ausreichten, mussten Rothschilds Ende 1939 ihren Grundbesitz verkaufen. Ab September 1941 mussten sie den Judenstern tragen, und im Februar 1942 wurden sie zuerst nach Haigerloch, dann nach Buchau zwangsevakuiert, ihr gesamter Hausrat blieb zurück. Als schließlich am 22. August 1942 auf dem Stuttgarter Killesberg ein für Theresienstadt bestimmter Transport zusammengestellt wurde, waren Ida und Max Rothschild unter den Unglücklichen. Max Rothschild starb, kaum dort angekommen, am 3. September. Ida Rothschilds Leidensweg führte am 29. September 1942 weiter nach dem Osten, wo sich ihre Spur im Grauen der Vernichtungsmaschinerie verlor.
© Text: Rainer Redies, Cannstatter Stolperstein-Initiative
© Bild: Anke Redies, Cannstatter Stolperstein-Initiative
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